Der Zauberkönig

Hier ist nichts echt. Die Bonbons zum Beispiel, die so verlockend in silbernem und goldenem Glanzpapier leuchten, schmecken köstlich süß – bis plötzlich alle Geschmacksnerven durchdrehen: Sie sind gefüllt mit Senf, Pfeffer oder Seife. Daneben liegen ordentlich aufgereiht und scheinbar völlig unschuldig: Spritzfeuerzeuge, Schrecktinte, färbende Seife und Furzkissen.
Den Zauberkönig gibt es als Familiengeschäft schon seit 1884. Schon immer kamen die Kinder aus der Nachbarschaft hierher, um sich mit neuen Schreck-, Knall- und Spritz-Gerätschaften auszustatten.
Aber die eigentliche Tradition dieses Ortes ist die Zauberei. Dieser Bereich befindet sich an der Rückwand des länglichen Geschäftes, hinter dem Ladentisch. Hier darf niemand einfach Dinge aus den Regalen nehmen, anfassen oder begutachten. Bei der Zauberei läuft das anders. Der Trick wird zuerst einmal vorgeführt: Ein Zauberhut kommt auf den Tisch, drei gelbe, weiche Bälle daneben und ein Zauberstab in normaler Größe dazu. Zwei Bälle werden unter den schwarzen Zylinder gelegt, einer in die Hand genommen. Hokuspokus Fidibus – der Zauberstab kreist über dem Ladentisch –, und der dritte Ball verschwindet aus der Hand und liegt – oh Wunder – bei den anderen beiden Bällen unter dem Hut. Die Ticks werden selbstverständlich nur einmal gezeigt, das gebietet die Zauberehre. Erklärt bekommt den Kniff nur derjenige, der Hut, Bälle und Zauberstab kauft.
Der kleine Ladenraum ist bis unter die Decke mit Verkleidungsstücken, Masken und Dekoration aller Art behängt. Hier findet bestimmt jeder für seine Mottoparty was Passendes.
Der Verkaufsschlager aber ist das, was im Schaufenster auf der kleinen Tafel als »Diverse Scheiße« angepriesen wird. Es ist wirklich genau das, und zwar in bis zu zehn Varianten: Ob unechter Haufen oder falsche Wurst, sie sind in Neukölln die Nummer eins unter den Scherzen.

Erschienen in „111 Orte in Berlin,  die man gesehen haben muss – Band 2“, Emons Verlag, 2013, Köln

Adresse:
Der Zauberkönig, Hermannstraße 84-90, 12051 Berlin-Neukölln

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