Lieblingsort:
Wilhelm Hoeck, Wilmersdorfer Straße 149, 10585 Berlin-Charlottenburg

„ Die Kneipe erinnert mich sowohl optisch als auch atmosphärisch an die Art von Bar, die ich zu Hause in Irland am liebsten mag – immer
älter werdend, aber irgendwie unverändert. Und 20 Meter weiter auf der Straße kann man bei Rogacki ›alles mit allem‹ essen.“

Joe Hatchiban

»Du kannst nicht immer 17 sein.« Langsam ebbt das Schunkeln ab. Und dann wird es wieder einmal beinahe ganz still auf den voll besetzten Steinstufen des Amphitheaters, alle Augen sind auf den bunt gestreiften Sonnenschirm in der Mitte gerichtet. Dort stecken zwei Köpfe über einem Laptop zusammen. Dann greift einer von ihnen zum Mikrofon und beginnt erst zaghaft und dann mit immer fester werdender Stimme zu singen. »You’re my Wonderwall.« Das gelingt mal mehr und mal weniger gut. »Hey Jude.« Aber man sieht den Leuten auf der Bühne eins an. »Don’t stop me now.« Sie sind sehr stolz auf sich. »I did it my way.«
Wie es dazu kam, dass sich jeden Sonntagnachmittag über 1.000 Menschen friedlich zum Singen im Mauerpark versammeln, ist, so Joe Hatchiban, eben eine Berlin-Geschichte. Sie hätte nur hier passieren können. Als er vor einigen Jahren aus irgendeiner Laune heraus, die er gar nicht mehr genau beschreiben kann, die Idee hatte, auf der Straße Karaoke zu singen, waren die Leute begeistert. Dann wollte er eigentlich nur mal testen, wie lange die Autobatterien für die Boxen durchhalten, und stellte sich in den Mauerpark in das Amphitheater.
Und als er dann eine Woche später wiederkam, saßen bereits einige Leute auf den Stufen und warteten auf ihn. Inzwischen ist der Karaoke-Sonntag zu einer Institution geworden. »Und das, obwohl ich selbst noch nie in einer Karaoke-Bar war«, sagt der Fahrradkurier. Aber das gemeinsame Singen ist eben irgendwie in ihm, in seiner Heimat Irland ist es schließlich eine jahrhundertelange Tradition. Er dreht sich kurz um. Jetzt ist er dran, der letzte Song ist jeden Sonntag »Minnie the Moocher« von Cab Calloway. »Hadihadihadiho«, singt er, und »Hadihadihadiho« kommt es aus Hunderten Kehlen zurück. Die Sonne geht langsam auf der anderen Seite des Mauerparks unter.

Erschienen in „111 Berliner, die man kennen lernen sollte“, Emons Verlag, 2016, Köln

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