Lieblingsort:
Die Fußgängerbrücke an der Sonnenburger Straße, 10437  Berlin

„Man kann dort ganz weit gucken. Diese Weite ist schon was Besonderes in so einer dichten Stadt. Auf der Brücke stehen oft Kinder und beobachten die S-Bahnen – und viele S-Bahn-Fahrer hupen dann extra für die Kinder. Das ist doch sehr nett, oder?“

Julia Römer

Am Anfang hat ihr niemand geglaubt. Professoren, Jury-Mitglieder von Wettbewerben, sie alle haben abgewunken: Es funktioniert nicht. Doch Julia Römer hatte die Testergebnisse vor sich. Und die bewiesen eindeutig das Gegenteil. Die 31-Jährige führt durch einen langen Flur, es geht die Treppe hinunter in den Keller, dort durch zwei Sicherheitsschleusen bis vor eine Tür mit großem Strahlenwarnzeichen. „Das frühere Isotopenlager“, sagt sie lachend und öffnet energisch die schwere Stahltür, „und jetzt sind wir hier – und entwickeln auch eine Alternative zur Energiegewinnung. Natürlich eine viel bessere.“
In der kleinen Werkstatt türmt sich ein Teststand-Ungetüm aus Hunderten von Kabeln, kreuz und quer laufenden Rohren und einem großen Pappkarton oben drauf. Und ganz hinten steht er: Der erste Kühlschrank, der ohne Strom funktioniert. Denn das ist es, was Julia Römer in ihrer Masterarbeit herausgefunden hat: Es ist möglich mit Wärme Kälte zu erzeugen. Adsorption heißt das Prinzip. Julia Römer kennt die unsicheren Blicke, die jetzt folgen. „Das haben die meisten noch nie gehört. Viele kennen nur Absorption.“ Und sie erklärt geduldig, diese gar nicht sehr komplizierte kleine Physik-Lektion: Durch den Kühlschrank verläuft ein Rohr mit Wasser und Wasserdampf und außerhalb des Kühlschranks befinden sich in einem Behälter kleine Glaskügelchen. Die Glaskügelchen ziehen den Wasserdampf aus dem Rohr, mehr Wasser kann verdunsten – und dieses Verdampfen verursacht die Kälte im Innern. Die Glaskügelchen außerhalb werden erhitzt, Wasserdampf wird wieder zu Wasser und fließt nach seiner Abkühlung in den Kühlschrank zurück.
Alles, was man dafür wirklich braucht, ist Wärme, viel Wärme, konstante Wärme. Und deshalb wurde auch ziemlich schnell klar, wo der Coolar-Kühlschrank eingesetzt werden kann und wo es Bedarf für ihn gibt: In Regionen mit viel Sonne und wenig Stromanschlussmöglichkeiten. „Dann haben wir in Kenia geforscht, gemessen, und herausgefunden: Die Wärme durch die Sonne reicht aus.“ Gleichzeitig wurde Julia Römer und ihrem kleinen Team bewusst, was eins der  größten Probleme in den Entwicklungsregionen darstellt: Der Transport und die Aufbewahrung von Medikamenten und Impfstoffen. Bis zu 75 Prozent der Medikamente müssen in diesen Regionen wegen unzureichender Kühlung vernichtet werden. „Und dann machte auf einmal alles Sinn“, erzählt die gebürtige Prenzlauer-Bergerin. „Als ob wir alles nur dafür entwickelt hatten.“ Denn: Coolar kann schließlich vollkommen unabhängig über Solarzellen Wärme aufnehmen, kann damit Kälte erzeugen und so die Medizin kühl halten.
Und das war der Punkt, an dem Julia Römer wusste, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Die Zweifel der anderen konnte sie längst nicht mehr nervös machen. „Und schließlich habe ich auch inzwischen einige von unserem Kühlschrank überzeugen können!“ Sie habe Schritt für Schritt gelernt, dass es eben auch anders gehe, sagt sie. Denn die meisten aus dem Wirtschaftsingenieurs-Studiengang würden schon eher mit der Automobilbranche liebäugeln. „Da gibt es die Jobs. Und Geld.“
Aber das hier, sagt sie und weist einmal quer durch den Kellerraum, das sei eben was anderes: Sie seien im Moment vier Ingenieure, die hier entwickeln, messen, schweißen und auswerten – und zwar vom allerersten Rohrgestänge bis zum ersten funktionierenden Kühlschrank.“ Und dann ist da ja auch noch die andere Seite: Der Business-Plan muss ausgearbeitet werden, Investoren angefragt werden. „Es ist ein langer Weg, denn wir haben eine starke Mission: Der Coolar-Kühlschrank soll zuallererst dahin gebracht werden, wo ihn die Menschen brauchen.“
Aber wer weiß, vielleicht dauert es gar nicht mehr lange, bis er als Haushaltskühlschrank in unseren Küchen steht. „Das ist es ja, was einen am meisten belohnt“, sagt die Erfinderin, „es geht immer weiter: Man entwickelt, testet, verbessert, lernt und dann geht es in die nächste Runde.“ Und dass das ansteckend ist, glaubt man sofort. Denn das Ziel, das immer vor Augen steht, ist schließlich: Von hier aus diesen Kellerräumen die Welt ein Stück zu verbessern.

Mehr über COOLAR: http://coolar.co/

Erschienen im Tagesspiegel am 3.5.2017


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