La musique automatique

Bis man die Play-Taste am Rekorder drücken konnte, um die Lieblingsmusik abzuspielen, war es ein langer Weg. Das wird schnell klar, wenn man das Automatophone-Zimmer im Märkischen Museum betritt. Die Vorführung der mechanischen Musikinstrumente beginnt in einigen Minuten. Walzen werden verteilt, Rollen eingelegt und Kurbeln angesetzt.
Die älteste Maschine im Raum ist die Flötenuhr, die tief im Innern von einem schweren Uhrpendel angetrieben wird. Das Parkett im Raum knarzt, die Zuhörer lauschen den Messing-Hörnern und Piccolo-Flöten aus dem Leierkasten: »Männer sind alle Verbrecher – aber lieb sind sie doch.« Das ölgemälde von Zille, das von einer Seite des Raums bis zur anderen reicht, zeigt einen Schwoof im Freien: Die Paare schieben sich über den Platz neben den Bierbänken, Kinder jagen zwischen den Tanzenden hindurch, Hunde balgen, Budenbesitzer halten ein Nickerchen oder rufen sich etwas zu. Die Drehorgel sieht man nicht – aber ihre Musik ist in jeder einzelnen Szene auf dem Bild präsent.
Und schon geht es weiter in der Evolution der Abspielgeräte: Das Polyphon ist so etwas wie die allererste Jukebox: Riesige Stahlscheiben mit eingestanzten Löchern werden eingelegt, ein »Sechser« in den Schlitz gesteckt – und die Musik erklingt. Das Pianola daneben lässt die Tasten tanzen, ohne dass sie gedrückt werden. Und dann drehen sich alle Köpfe wieder nach vorn, die Blicke richten sich auf das größte Möbel im Raum: das Orchestrion, mit kitschigen Retro-Barock-Motiven und goldenen Ornamenten bemalt. Im »Maschinenraum« dahinter legt die monströse Anlage los – und tatsächlich: Ein Orchester erklingt.
Aber auch wenn die Technik immer ausgefeilter, der Ton immer satter wurde, eines fehlte den Automaten dann doch, weswegen sie sich am Ende nicht durchsetzen konnten gegen die Grammophone, die sich ebenso immer weiterentwickelten: der Gesang.

Erschienen in „111 Orte in Berlin,  die man gesehen haben muss – Band 2“, Emons Verlag, 2013, Köln

Adresse:
Märkisches Museum, Am Köllnischen Park 5, 10179 Berlin-Mitte


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