Die Gedenkkirche Regina Martyrum

Riesig hoch und dunkel umschließen die Mauern den vollkommen leeren Platz. Sie versperren jeden Blick nach außen. Vor einem liegt der leblose, gepflasterte Platz, hinter einem erhebt sich an einer Ecke der Mauer riesenhaft und kantig der Glockenturm. Es überfällt einen unwillkürlich ein Gefühl von Schutzlosigkeit und Bedrohung. Der Instinkt meldet sich mit einer solchen Heftigkeit, dass der Verstand nicht dagegen ankommt. ähnlich, wie wenn man nachts einen menschenleeren Platz überquert.
Diese Wucht ist Absicht. Wie ein Gefängnis-Appellplatz wurde der dunkle Kirchenvorplatz der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum angelegt – zur Erinnerung an die Opfer, die unter den Nationalsozialisten in der nahen Haftanstalt und Hinrichtungsstätte Plötzensee ermordet wurden. Und so wie der Kirchenvorplatz das Dunkle und Bedrohliche zeigt und spürbar macht, so steht der rechteckige Kirchenbau auf dem Platz für das Helle und die Hoffnung. Die vom Würzburger Dombaumeister Hans Schädel 1963 gebaute Gedenkkirche liegt mit der weißen Kieselfassade fast schwebend auf den stützenden Betonpfeilern. Im Inneren führt eine Treppe mit 33 Stufen in die Kirche hinauf. Nur durch schmale Spalte zu beiden Seiten des großen Altarbildes und an Seiten der Decke strahlt Licht in den hohen Raum hinein. Der Effekt ist beeindruckend: Es scheint, als gäbe es keine feste Decke, als würde der zentnerschwere, nackte Beton leicht in die Höhe gehoben – und dort schweben.
Die Schwestern des Karmel-Ordens, die in dem Kloster neben der Gedenkkirche in Schweigen und Gebet leben, haben sich dieses Ortes angenommen: Die Karmelitinnen halten nicht nur das Gedenken an die Opfer aufrecht, sondern beten auch jeden Mittag in der Kapelle für den Frieden. Es tut gut zu wissen, dass mitten in dem unfassbar großen Berlin jeden Tag um die gleiche Zeit für Frieden gebetet wird.

Erschienen in „111 Orte in Berlin,  die man gesehen haben muss“, Emons Verlag, 2011, Köln

Adresse:
Die Gedenkkirche Regina Martyrum, Heckerdamm 230, 13627 Berlin- – Charlottenburg


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